Polly Adlers Kolumne: Heftige Lebenszeichen

Falten, die lustige Geschichten erzählen.

Kürzlich gönnte ich mir so einen Gesichts-Großputz. Während der Faltenbügelei in Form einer Massage mit einem Elektro-Zauberstab sagte die junge, strahlend schöne Kosmetikerin: „Hier sieht man gleich: Es wurde viel gelebt.“

Ich musste den Satz einsickern lassen, um herauszufinden, ob ich ihn in der Rubrik Bodenlose Gemeinheit oder Lob und Anerkennung ablegen sollte. Ich entschied mich für Letzteres. „Ja, Teuerste“, flötete ich unter meinen Pfefferpeeling-Schichten, „das kann man stolz in die Landschaft schmettern: Hier wurde mit Karacho gelebt.“

Ich liebte tatsächlich jedes Schlafmanko, das sich in meinen Falten eingenistet hat, die Nächte, die man auf Tischen getanzt, in Hauseingängen geschmust hat, auf Deadlines balanciert ist, Punschkrapfen und Sommer-, aber auch Winterspritzer verschlungen hat und (Achtung: Reue!) aber leider auch der irrationalen Selbsttäuschung erlegen ist, dass Nikotin eventuell vielleicht doch vitaminhaltig sein könnte.

Das Tschicken hätte ich in der Sektion Unfug & Tralala gerne ausgelassen, sonst aber wenig. Kürzlich wurde die 62-jährige Demi Moore vom Magazin People zur schönsten Frau der Welt gekürt. Experten schätzten schon zuvor die Kosten für ihre aus dem Gezeitensystem gebeamten Gesichtszüge auf rund 500.000 Dollar. Sarah Jessica Parker, 57, sieht wesentlich älter aus. Aber sie hat ihr Gesicht erfolgreich verteidigt. Moore wirkt wie ein fescher Alien. Lance Armstrong musste alle sieben Tour-de-France-Siegesthrophäen wegen nachgewiesenem Doping retournieren.

Und bei diesen sowieso völlig absurden Schönste-Frau-der-Welt-Contests fallen solche wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen weg? Was für ein Retro-Backlash-Deppen-Signal ist es überdies, Frauen, die sich ihre Authentizität wegschneiden und -spritzen lassen, dafür auch noch zu belohnen. Waren wir nicht schon einmal weiter?


„Knietief im Glamour“: mit Caroline Frank & Sigrid Hauser am 23. Mai, Werftbühne Korneuburg, 19 Uhr 30 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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